Die Rüstungsindustrie soll jetzt nachhaltig sein – geht’s noch?

Von Marcus Brenken, Vorstandsvorsitzender ökofinanz-21 e.V.

Nur weil eine Investition (welche auch immer) in einer bestimmten Zeit oder für einen bestimmten Zweck mal sinnvoll ist, ist diese noch lange nicht automatisch nachhaltig. Diese in letzter Zeit häufig versuchte Verknüpfung führt in die Irre und verfehlt die Kerngedanken einer nachhaltigen zukunftsfördernden Geldanlage in jeder Hinsicht!

Die europäische Wertpapieraufsichts-Behörde ESMA hat im Mai 2024 Leitlinien für nachhaltigkeitsbezogene Zusätze in Fondsnamen veröffentlicht, die EU-weite Mindeststandards definieren. Demnach sind lediglich völkerrechtlich geächtete Waffen, wie zum Beispiel Streubomben, chemische und biologische Waffen, in als nachhaltig bezeichneten Fonds verboten. Auch die EU-Kommission stellt klar, dass der EU-Rahmen zur Nachhaltigkeit keine Investitionen in Rüstungsfirmen unterbinden soll!

Nun hat auch der Deutsche Fondsverband BVI gemeinsam mit den Verbänden der Kreditwirtschaft und dem Zertifikateverband im sogenannten ESG-Zielmarktkonzept vereinbart, dass als nachhaltig vertriebene Fonds in Unternehmen der Rüstungsindustrie investieren dürfen. Dies sei „ein wichtiger Schritt hin zur EU-weiten Standardisierung der Mindestanforderungen an nachhaltige Fonds“, so der BVI.

Also Hauptsache standardisiert … So muss man keine Stellung beziehen?

Die Haltung dazu in unserem Verband ökofinanz-21 ist und bleibt eindeutig – Investitionen in Rüstung und Militär sind nicht nachhaltig und haben entsprechend in nachhaltigen Geldanlagen nichts zu suchen.

Warum das so ist – da fällt sogar der KI sofort etwas ein:

Frage an ChatGPT: „Warum ist Rüstung nicht nachhaltig?“

Antwort ChatGPT: „Rüstung und militärische Aktivitäten sind aus mehreren Gründen nicht nachhaltig:

  1. Ressourcenverbrauch: Die Herstellung von Waffen und militärischer Ausrüstung erfordert erhebliche Mengen an Rohstoffen und Energie, was zu einer hohen Umweltbelastung führt.
  2. Umweltverschmutzung: Militärische Operationen können Böden, Gewässer und Luft verschmutzen, sei es durch den Einsatz von Chemikalien, Explosionen oder die Entsorgung von Abfällen.
  3. Zerstörung von Lebensräumen: Konflikte führen häufig zur Zerstörung von natürlichen Lebensräumen, was negative Auswirkungen auf die Biodiversität hat.
  4. Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen: Militärische Konflikte können zu Instabilität führen, die langfristige Entwicklung und nachhaltige Praktiken in betroffenen Regionen behindert.“

Interessant ist eigentlich noch, dass Menschenrechtsverletzungen bis zur massenhaften Vernichtung von Leben für die künstliche Intelligenz keine Rolle spielen. Aber beschäftigen sich ESMA und BVI mit diesen Fragen eigentlich überhaupt nicht?

Es ist in keiner Weise in Abrede zu stellen, dass ein Land sich gegen einen Überfall erwehren können muss. Und leider bindet diese Wehrhaftigkeit sehr viele Ressourcen, die für den Aufbau einer zukunftsfähigen Gesellschaft fehlen. Doch bei diesem Freibrief der ESMA und des BVI für die Kreditwirtschaft und die Rüstungsindustrie geht es offenbar darum, deren in erster Linie gewinnorientierten Aktivitäten mit dem beschönigenden Mäntelchen der Nachhaltigkeit zu verbrämen. Die Rüstungsindustrie kommt somit einfacher an Finanzierungen und kann ihre Erträge noch mehr steigern. Und interessierte Aktionäre ebenfalls – nun mit gutem Gewissen.

Die Rüstungsindustrie ist per se eine Wertvernichtungsmaschine, selbst, wenn die Waffen nicht eingesetzt werden. Deren Destruktivität ist inhärent. Und wenn die Waffen eingesetzt werden – wie kann man denn ausgeschaltete Menschen, vernichtete Existenzen und zerstörte Landschaften wieder adäquat „nachwachsen“ lassen und ausgleichend „ersetzen“, wie es dem Begriff der Nachhaltigkeit in seiner eigentlichen Herleitung innewohnt?

Zudem: Es ist in keiner Weise sichergestellt, dass die „nachhaltig“ finanzierten Waffen nicht bei Warlords und anderen nicht-staatlichen Abnehmern landen, die damit nichts Gutes im Sinn haben.

Die Finanzierung von Rüstung und Waffen kann leider manchmal unvermeidlich sein – aber nie nachhaltig, aus diesem Dilemma gibt es kein Entkommen. Das werden auch jedwede politisch motivierte Einordnungen in der Regulatorik und in den Gewinnphantasien von Marktteilnehmer:innen nicht ändern!

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