Die Wirksamkeit von Geldanlagen in widrigen Zeiten – Frühjahrstagung ökofinanz-21 in Würzburg
Trump! Krieg! Ukraine, Gaza, Sudan! Hunger und Armut! Nicht zu fassender Reichtum und Machtkonzentration. Korruption. Artensterben. Erhitzung und Überflutungen! Und jetzt auch noch Politik der Gestrigen in Deutschland.
Dazwischen: Glück, Liebe, Initiativen, Gemeinsamkeit und Zusammenhalt, Menschsein, Wohlstand, Natur zum Staunen, Sehnsucht und mehr.
Wahrlich widrige Zeiten – aber es gibt immer auch das Gegengewicht, das, was weiterführt und um die menschliche Zukunft ringt, die Entwicklung der Welt positiv gestalten will, auch da, wo sich Menschen mit ihrem Beruf in diese Entwicklung einbringen wollen.
Zum Beispiel hier: so trafen sich ca. 50 Menschen aus der Finanzbranche am 20. und 21. März 2025 zur Frühjahrstagung des Beraternetzwerks ökofinanz-21 in Würzburg. Seit dem letzten Treffen im Oktober haben sich die weltweiten Krisen weiter zugespitzt, wie der Vorstands-Vorsitzende Marcus Brenken einleitend sagte. Die Bundesregierung ist zerbrochen und wurde abgewählt. Mit der Wiederwahl von Donald Trump hat der Rückbau bisheriger Standards eingesetzt, die nicht nur in den USA tiefgreifende Folgen haben wird. Schon vorher ist die nachhaltige Transformation aus dem Fokus gerückt. Dies betrifft gerade auch den Finanzmarkt und die Anlegenden. Es gilt, die Wirksamkeit von Geldanlagen in widrigen Zeiten zu untersuchen.
Marcus Brenken begrüßte in dem Kreis zwei neue Fördermitglieder: Ökoworld AG und Grüne Welt GmbH. Aktuell unterstützen 17 Unternehmen das Beraternetzwerk (https://oekofinanz-21.de/foedermitglieder/). Brenken dankte seinem bisherigen Stellvertreter Bernhard Rathgeber, der sich aus der Vorstandsarbeit zurückgezogen hat. Seine Stelle hat Gorden Isler aus Hamburg übernommen. Die neue Kommunikationsbeauftragte Jana Kiesekamp kümmert sich um die Versorgung der Medien.
Ökofinanz-21 wirkt auch ganz direkt: Manfred Jörger und Tim Helm berichteten von der Entwicklung der „Courageous Kids Foundation“ in Malawi. Mitglieder von Ökofinanz-21 unterstützen die Organisation und ihre Projekte seit der Berliner Tagung zum 20-jährigen Jubiläum von ö21 https://www.lamulecirque.com/ .
Während der Tagung wurde das Themenfeld nachhaltig wirksame Investments in mehreren Panels und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und diskutiert. Der Fokus war auf die Möglichkeiten gelegt, auch in diesen Zeiten mit dem Gegenwind politischer und auch gesellschaftlicher Entwicklungen umzugehen.
Die Welt im März 2025 – Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Finanzen
Den Einstieg machte der Investigativ-Journalist Martin Murphy. Er richtete mit seinem Beitrag den Blick darauf, wie weit das Regime Putins offen und verborgen versucht, westliche Medien und Gesellschaften in seinem Sinne zu beeinflussen. Dies sei schon sehr weit vorangeschritten, wie man vor allem in den Social Media sehen kann, zusätzlich angetrieben durch die schnelle Entwicklung der KI. Eine Auswirkung sei nicht zuletzt, dass mehr als ein Fünftel der Bevölkerung mit der Wahl der AfD die Bedienung russischer Narrative unterstützt. Murphy warnte davor, die Bedrohung der Demokratie durch Fake News und die professionellen Aktivitäten durch russische Geheimdienste zu unterschätzen. Derzeit sind auch Georgien und Moldau verstärkt im Fokus. Auch die neue Administration unter Trump, Musk & Co. untergrabe planmäßig den Rechtsstaat. Die weltweite Zunahme autoritärer Regime sei Alarmzeichen – auch für uns in Deutschland.
Wirksamkeit durch Engagement
Die bloße Beobachtung und Beachtung der sog. ESG-Kriterien genügen vielen Akteur:innen und Anleger:innen nicht, um eine nachhaltige Entwicklung wirksam voranzubringen. Der Begriff „Impact-Investing“ ist inzwischen im Markt angekommen, er wird aber höchst unterschiedlich aufgefasst. Marcel Blumenthal von der Ökoworld AG betont im nächsten Panel, dass Nachhaltigkeit immer mehr sein muss als Ökologie. Der gesellschaftliche Impact gehöre zu einer wohl verstandenen Nachhaltigkeit. Seine Kollegin aus dem Research Verena Kienel war live aus Mumbai zugeschaltet. Sie berichtete von ihren „Kontrollbesuchen“ bei Unternehmen in Indien und zeigte am Beispiel von drei Unternehmen aus verschiedenen Geschäftsfeldern (Container Corporation of India, Dabur Ltd. und Indus Tower), wie eine erfolgreiche nachhaltige Transformation in einem Schwellenland aussieht. Die Ergebnisse der Vor-Ort-Besuche fließen in die Zusammenstellung der Fonds-Portfolios von Ökoworld ein.
EU-Regulatorik – unvermeidlich
Für nachhaltige Finanzberatung ist es unabdingbar, sich mit der Entwicklung der Regulatorik zu befassen. Dr. Marcel Malmendier (Finanzberater IKRR) skizzierte die Entwicklung der regulatorischen Anforderungen an Berater und Beraterinnen. Deutlich wurde auch in der Diskussion, dass die formale Regulierung zu sehr aufgebläht worden ist. Die bisherigen Regelwerke sind nicht nur wenig kohärent, sondern auch nicht praxistauglich. Dies gelte für Wirtschaftsunternehmen und Finanz-Produktgeber (Fondsgesellschaften) und besonders auch für alle Finanzberatenden. Die Folge ist leider, dass das Thema „Nachhaltig investieren“ mittlerweile weniger präsent ist als noch vor 3-4 Jahren.
Roland Kölsch (F.I.R.S.T. e.V.) war erneut Gast bei der Tagung. Er verantwortet in Kooperation mit dem Team vom Advanced Research Institute die Erstellung des FNG-Siegels. Er berichtete über die Weiterentwicklung dieses Qualitätssiegels vom Forum Nachhaltige Geldanlagen. Der Wunsch, die Transformation der Wirtschaft zu adressieren und zu prüfen, soll zu einem zusätzlichen „Transition-Siegel“ führen. Einerseits müssen die Prüfanforderungen mit der EU-Regulatorik kompatibel sein. Anderseits sollen die für Anlegende und Investierende relevanten Fragen aufgenommen werden. Alle wissen, dass diese Aufgabe sehr komplex ist und als Prozess zu sehen ist, der keine abschließenden Bewertungen zulässt. Zudem gibt es nach wie vor Unzulänglichkeiten bei der Lieferung geeigneter Daten zur Bewertung der einzelnen Strategien.
Julius von Sambeck (Ethius Invest Schweiz) thematisierte die Fragen, die im Zusammenhang mit der ESMA-Leitlinie zur Namensgebung von Fonds stehen. Schon die Aufgabenstellung sei problematisch, weil in der (jeweiligen) Sprache z. T. unterschiedliche Bedeutungen konnotiert werden. Generell seien die regulatorischen Anforderungen für kleinere Fonds zu hoch und zu kostenaufwendig, sodass am Ende nur die großen KAGs gewinnen würden.
Stefan Klotz (Grüne Welt) betrachtete die Herausforderungen der ESMA-Leitlinien für den Anlagemarkt der ETFs. Nur ein kleiner Teil der als „nachhaltig“ apostrophierten ETFs baue auf glaubwürdig zusammengestellten Indices auf, das Thema Engagement würde zu selten ernsthaft aktiv gemanagt. Zudem bedienen sich die meisten ETFs der Daten großer Lieferanten wie MSCI aus den USA. Es fehlt bislang ein wirksamer Austausch mit den Ratingagenturen, aus denen sich die Fondsgesellschaften bedienen.
Aus der lebhaften Debatte in AGs und im Plenum konnte als gemeinsames Fazit gezogen werden: Die derzeitige Überregulierung hindert eher eine kunden- und werteorientierte Finanzberatung, als dass sie hilft, geeignete Finanzlösungen für die Anlegenden und Investierenden zu finden. Nur der offene Dialog zwischen informierten Beratenden und ihren Kund:innen über Werte und Ziele führe zu passenden Lösungen. Ebenso solle gemeinsam mit anderen Akteuren (NGOs) eine Kommunikation mit den Verantwortlichen in Berlin und Brüssel aufgebaut werden, damit es wieder vorangehe.
Voran mit neuen Möglichkeiten
Erneuerbare Energien brauchen Speicher: Bei der Energieversorgung der Zukunft spielt die Speicherung eine immer wichtigere Rolle. Denn Energie aus Wind und Sonne steht nicht kontinuierlich zur Verfügung. Um die Schwankungen auszugleichen, sind Maßnahmen zur Zwischenspeicherung nötig. Andreas Roth (CAV Partners GmbH) führte in die Technologie und die Lösungen und Investmentmöglichkeiten ein.
Neue Finanzvehikel: Für die anstehende nachhaltige Transformation braucht es auch passende Finanzinstrumente, um mehr Kapital zu mobilisieren und auch Privatanleger:innen den Einstieg zu erleichtern. Oliver Hack (EB-SIM) und Moritz Isenmann (Invest in Visions) stellten die Funktionsweise eines ELTIF und eines OIS vor und die Infrastruktur-Fonds, die die beiden Unternehmen jeweils darauf aufgebaut haben.
„Verschenke sinnvolle Geldanlage statt unnötigen Kram.“ Mit dieser Ansage stellte Anna Ott ihr Projekt „Zukunft schenken“ vor. Auch mit kleinem Geld können für Kinder und Enkel Geschenke für eine nachhaltige Zukunft gemacht werden. Dazu ist eine Möglichkeit bei der FNZ-Bank eingerichtet: https://www.zukunft-schenken.com/
Ökofinanz-21 – Weiterentwicklung im Austausch
In mehreren Workshops behandelten die Teilnehmenden verschiedene Themen. Einen breiten Raum nahm die Weiterentwicklung von ökofinanz-21 ein. Der Austausch unter den Mitgliedern und Förderern findet künftig einmal im Monat statt. Dabei geht es um Wissensaustausch und praktische Fragen im Beratungsalltag. In den vergangenen Monaten wird die Bedeutung der Nachhaltigkeit und der Werteorientierung in der Finanzbranche anscheinend nicht mehr als so wichtig angesehen. Deshalb kommt es auf ökofinanz-21 als Beraternetzwerk mit hohem ethischem Anspruch und Expertise an, sich zu Wort zu melden und besser wahrgenommen zu werden. Hierfür hat sich auch eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Möglichkeit der Stipendienvergabe für Interessierte überprüft. Außerdem befasst sich eine Arbeitsgruppe mit der Überarbeitung der Grundsätze von ökofinanz-21. Seit der letzten Überarbeitung 2020 haben sich Markt und Herausforderungen weiterentwickelt, unser Netzwerk soll hier adäquat aufgestellt sein.
Aus den Vorträgen, Panels und Workshops der Tagung wurde deutlich: Regulatorik, Greenwashing und geopolitische Spannungen erschweren die Arbeit, doch eine glaubwürdige, werteorientierte Finanzberatung ist wichtiger denn je. Das Netzwerk will seine Stimme auch künftig deutlich einsetzen – für mehr Austausch, politische Einflussnahme und Wirkung.
Marcus Brenken, Ingo Scheulen