Europawahl 2024 und der Finanzmarkt – oder „wenn rechte Kräfte sinnlos walten“

Eine Analyse von Marcus Brenken, Vorstandsvorsitzender ökofinanz-21

Nicht nur bei der Europawahl, auch bei den nationalen Wahlen in der EU sind in den letzten fünf Jahren rechte Kräfte immer stärker geworden. Unabhängig davon, wer der neuen Kommission vorstehen wird – da die neuen Kommissare von den Regierungen der Mitgliedstaaten vorgeschlagen werden, wird die Kommission insgesamt deutlich weiter rechts positioniert sein, mit erheblichen Auswirkungen auf die zukünftigen europapolitischen Prioritäten und das Arbeitsprogramm der EU-Kommission.

Die rechten und rechtsextremen Parteien in der EU sind vor allem nationalistisch und völkisch denkend, EU-kritisch bis EU-ablehnend. Und bei so manchen unterschiedlichen Haltungen, zum Beispiel zu Kernkraft, erneuerbaren Energien oder der Regulierung des Finanzmarktes (wie Deregulierung, Regulierung des Vertriebs u.a.) – unisono sind diese Parteien gegen den Green Deal und damit gegen eine zukunftsorientierte Ausrichtung von Landwirtschaft über Naturschutz bis zum Finanzmarkt. Und leider betrifft das auch zunehmend konservative Parteien.


12. Juni 2024 – Frage an ChatGPT:

„Gibt es Auswirkungen der Europawahl auf den nachhaltigen Finanzmarkt?“

Antwort ChatGPT:

„Die Europawahl kann auch Auswirkungen auf den nachhaltigen Finanzmarkt haben, da die EU-Gesetzgebung zunehmend Maßnahmen zur Förderung von nachhaltigen Investitionen und Finanzierungen umfasst. Die Wahl von Abgeordneten, die sich für eine nachhaltige Finanzpolitik einsetzen, kann dazu beitragen, den Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft zu beschleunigen. Es ist wichtig, sich über die Positionen der Kandidaten zu nachhaltigen Finanzfragen zu informieren, um eine informierte Entscheidung zu treffen.“


Nun – die Entscheidungen sind gefallen. Aber den wenigsten Wählerinnen und Wählern ging es bei der Wahl offenbar um ein zukunftsorientiertes Finanzsystem … Es ging ja nicht mal um Zukunftsorientierung, um den Umgang mit der Klimakrise, die bei Umfragen sehr wohl als ein großes Problem wahrgenommen wird. Die Europawahl war schlichtweg ein weiterer Triumpf des Populismus (von Ausnahmen in einigen Ländern abgesehen).

Die Wahl von Abgeordneten, die sich für einen nachhaltigen Finanzmarkt einsetzen, wäre ganz anders ausgegangen. Ein Blick in die Europawahlprogramme der deutschen Parteien (und übrigens auch in die Grundsatzprogramme) zeigt, was uns nun erwartet und wie wenig Ideen und Ziele es überhaupt gibt:

CDU: Eine nachhaltige Ausrichtung des Finanzmarktes findet keine Erwähnung. Aber die Partei kündigt schon mal an: „Wir treten für eine Überprüfung der Taxonomie und des Green Deals auf Praxistauglichkeit und auch im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb ein“, (CDU-Europawahlprogramm 2024, S. 9).

SPD: Eine nachhaltige Ausrichtung des Finanzmarktes findet im Europawahlprogramm der SPD keine Erwähnung, nicht mal im Zusammenhang mit dem dort oft zitierten „Green Deal“.

FDP: Eine nachhaltige Ausrichtung des Finanzmarktes findet keine Erwähnung. Aber im Grunde warnt die Partei schon mal: „Eine EU-Sozialtaxonomie zur einheitlichen Definition von sozial nachhaltigen Investitionen und Finanzprodukten dürfte nicht zu zusätzlichen regulatorischen Pflichten für Unternehmen führen“, (FDP-Europawahlprogramm 2024, S.15).

AfD: Nun, die Partei wird deutlich. „Derzeit gibt es in der EU Bestrebungen, im Rahmen der sogenannten Taxonomie eine zentral gelenkte Investitionssteuerung aus ideologischer Motivation heraus zu verstärken, so z. B. im Fall sogenannter ‚Grüner Technologien’. Den Green Deal der EU lehnen wir ab“, (AfD-Europawahlprogramm 2024, S.24). Bezeichnend ist die Ahnungslosigkeit der AfD – siehe Seite 42: „Regulatorische Benachteiligung von Kernenergie aufheben (z. B. Taxonomie).“ Dabei hat die EU die Kernenergie als Taxonomie-konform erklärt …

BSW: Die Partei hält von der Finanzwirtschaft gar nichts, alles gierige Lügner … „Auch die sogenannte ‚Grüne Taxonomie’ der EU ist vor allem ein bürokratisches Regelungsmonster, das der produktiven Wirtschaft nutzlose Berichtspflichten auferlegt und dadurch besonders Mittelständler schädigt. Letztlich ist auch dieser Etikettenschwindel vor allem ein Ergebnis erfolgreicher Lobbytätigkeit, in diesem Fall der Finanzwirtschaft, die gern Fonds mit angeblich grünem Gütesiegel an ihre wohlhabende Kundschaft verkaufen möchte“, (BSW-Europawahlprogramm 2024, pdf-S.15).

Grüne: Die Partei hätte eine Idee gehabt – „Um die klimaneutrale Erneuerung unserer Wirtschaft zu unterstützen, muss das Finanzsystem resilienter werden und konsequent an den europäischen Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet sein. Dazu braucht es klare Regeln gegen Greenwashing“, (Gruene-Europawahlprogramm 2024, S.18). „Die grüne Taxonomie der EU ist ein Mittel, um die Finanzierung umweltverträglicher Wirtschaftsaktivitäten zu unterstützen. Deshalb bleibt es falsch, Atomenergie und Erdgas als nachhaltig einzustufen“, (S.19).

Bereits im Vorfeld der Europawahl ist der Einfluss rückwärtsgewandter Strömungen auf die EU-Entscheidungen deutlich bemerkbar gewesen. Von dem Aussetzen von Umweltkriterien für Agrarzahlungen über das Bestreben, EU-weit einheitliche Regelungen für entwaldungsfreie Lieferketten zurückzuschrauben und den Versuch, das EU-Lieferkettengesetz scheitern zu lassen bis zu der Blockade des EU-Renaturierungsgesetzes – immer wieder gab es eine unheilige Allianz der konservativen und rechten Fraktionen, um eine zukunftsorientierte Ausrichtung der EU zu boykottieren.


12. Juni 2024 – Frage an ChatGPT:

„Was bedeutet: ‚Wenn rechte Kräfte sinnlos walten’?“

Antwort ChatGPT:

„’Rechte Kräfte’ kann sich auf politische Gruppierungen oder Ideologien beziehen, die konservative oder rechtsgerichtete Ansichten vertreten. ‚Sinnlos walten lassen’ könnte darauf hindeuten, dass diese Kräfte ihre Macht ohne klaren Zweck oder Ziel ausüben. Es könnte eine kritische Aussage über den Einsatz von Macht oder Autorität sein, ohne einen konstruktiven Zweck zu verfolgen.“


Was folgt: Bisher waren die Absichten groß. Es gab auf der politischen Ebene wenigstens das Bestreben, mit der EU-Taxonomie einen zukunftsorientierten Finanzmarkt zu gestalten, auch wenn die weitere Ausgestaltung der Regulatorik bisher leider eher zum Hindernis wurde. Nun wird man wahrscheinlich weiter dabei zusehen müssen, wie nach und nach selbst die Absichten zurückgefahren werden. Es ist zu erwarten, dass die EU zumindest vorerst keine treibende Kraft bei der Transformation sein wird. So kommt es mehr denn je auf die Finanzmarktakteure selbst an, mit ihren Mitteln, mit ihrem Knowhow, ihren Bewertungen und ihrer Vermittlungstätigkeit Investitionen in eine nachhaltige Wirtschaft, für einen respektvollen Umgang mit der Natur und für eine überlebensfähige Gesellschaft voranzubringen.

 

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