ökofinanz-21 Herbsttagung 2024: Wie wirken nachhaltige Vermögensanlagen (besser)?

ökofinanz-21 Herbsttagung 2024: Wie wirken nachhaltige Vermögensanlagen (besser)?

Zu der traditionellen Herbsttagung trafen sich rund 50 ö21-Mitglieder, Fördermitglieder und Gäste im Erfurter Augustinerkloster. Die Themen, denen sich die Finanz- und Versicherungsexpert:innen stellten, wurden kontrovers und beherzt diskutiert, ging es doch um nichts Geringeres als: „Beratung, Impact, Geld und Regulierung – verstehen und zusammenbringen“.

Tag 1 – Aus der Wissenschaft in die Praxis und lebhafte Debatte

Dr. Marco Wilkens, Professor für Finanz- und Bankwirtschaft an der Universität Augsburg, machte mit der Analyse des Impacts von Finanzanlagen den Aufschlag und nahm die Beteiligten des Finanzmarktes unter die Lupe – Anbieter wie Anlegende. Er führte aus, dass Geld ein mächtiges Instrument ist und gab zu bedenken, dass circa 200 Billionen Euro in liquiden Assets stecken, die dafür genutzt werden könnten, um einen Impact für Mensch und Umwelt zu erzielen. Aber er stellte auch die Frage, ob nicht gesetzliche Maßnahmen, wie zum Beispiel der CO2-Preis, wirkungsvoller für Klima- und Umweltschutz seien als renditeorientierte Investmentangebote. Seine Antwort nach sorgfältiger Prüfung: sowohl als auch. Denn die Konzentration auf ein einziges Mittel, auch wenn es noch so vielversprechend ist, sei nie so zielführend wie der Einsatz von vielen. Nur wenn Gesetze, Ordnungspolitik, CO2-Budgets und -Preise sowie Steuern zusammen eingesetzt werden, erreichen sie die höchste Wirksamkeit.

Laut Prof. Wilkens haben alle Stakeholder eines Unternehmens die Macht, etwas zu verändern. Sie können „braune“ Aktien verkaufen, um das Geld in „grüne“ zu investieren, damit nachhaltige Unternehmen stärken und schlussendlich sogar „grüne“ Aktien wertvoller als „braune“ machen. Studien belegen nämlich, dass Divestments aus umweltbelastenden Unternehmen nicht nur die Aktienkurse der Unternehmen sinken lassen, sondern auch deren CO2-Ausstoß. Er ist überzeugt: „Divestment bzw. Portfolioallokation hat auf mehreren Ebenen Wirkung – vielleicht keine entscheidende, aber durchaus eine nachweisbare.“ Zudem hätten nachhaltige Investmentfonds auch für die investierten Unternehmen weitere Vorteile: Sie generieren Reputation, Informationen und schaffen Bewusstsein für Umweltschutz.

Einen Nachteil müsse man dabei aber in Kauf nehmen: Transformationsprozesse kosteten Geld, was sich auf die Rendite auswirke; und Analysen bestätigen einen Diversifikationsnachteil, wenn nur in „grüne“ Aktien investiert werde. Der Professor plädiert in diesem Zusammenhang aber für eine differenziertere Betrachtung: Nicht nur könnten „grüne“ Aktien aktuell unterbewertet und die „braunen“ überwertet sein, auf jeden Fall fehlten in all den Berechnungen und Prognosen die Kosten, welche die „braunen“ langfristig verursachen. Es sei kaum auszurechnen, wie teuer es wird, all die Umweltschäden zu beseitigen, die wir heute verursachen.

Im Anschluss an diesen spannenden, wissenschaftlichen Part gaben Vortragende aus der Praxis von Banken, Investmenthäusern und dem Forum Nachhaltiger Geldanlagen Einblicke in die schwierige EU-Regulatorik im Rahmen des Green Deal, die Investmentanbieter und -vermittelnde zunehmend belastet. Ein kurzes, vereinfachtes Fazit der Kurzvorträge und des anschließenden Panels: Die Finanzmarkt-Regulatorik benötigt dringend einige Verbesserungen, damit sie in der Praxis funktionieren kann. Ein gutes Vorhaben im Rahmen des Green Deal zeigt sinnvolle Ansätze, beispielsweise in der verpflichtenden nicht-finanziellen Berichterstattung bei Unternehmen. Die weitere Umsetzung wird leider für Finanzmarktteilnehmer ein absolutes Hindernis, die gewünschte Transformation in einen nachhaltigen Kapitalmarkt mitzutragen. Und nicht nur private Anlegerinnen und Anleger sind mit den Anforderungen der Finanzmarktrichtlinie überfordert – wie mittlerweile allseits bekannt.

Nach dem ö21-Vorstandsvorsitzender Marcus Brenken finden sich Webfehler auch im Kern der Regulatorik: schon die Wesentlichkeitsanalyse bei der Berichterstattung sei schwer objektivierbar, aus der Regulatorik sei eine kaum beherrschbare und unverständliche Bürokratie entstanden. Diese trage nicht dazu bei, dass Vermittler:innen verlässliche Daten zu Investments und Unternehmen bekommen

Julius van Sambeck von Ethius Invest kritisierte die Umsetzung der neues ESMA-Leitlinien zu Fondsnamen, in denen bestimmte Begriffe durch die EU festgelegt und einem Wertekanon untergeordnet werden. Viele Fonds werden, so prognostiziert van Sambeck, möglicherweise ihre Namen ändern oder Anlagestrategien anpassen müssen. Die Standardisierungsbestrebungen der EU – und nachfolgend der Kapitalverwaltungsgesellschaften – beträfen besonders ambitionierte Nachhaltigkeitskonzepte und Anleger:innen mit eigenen Wertvorstellungen.

Aus Sicht von Marcus Brenken ist die Finanzmarkt-Regulatorik auf der Anlageseite gescheitert: „Wo es um Werte gehen sollte, geht es vielmehr um Auslegungen und um juristisches Klein-Klein, Berater:innen könnten sich letztlich auch sorgen, strafbar gegen Regeln zu verstoßen, die kaum jemand versteht und die sich ständig ändern.“

Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Finanzmarktteilnehmer:innen zu unterstützen und bietet Seminare und Informationen an. Und es will an Richtlinien mitarbeiten, die Regulierungen mitgestalten und Widersprüche auflösen. Dafür brauche es nach dem FNG-Vorstand Marian Klemm die Hilfe des ö21-Netzwerks und der hier geballten Expertise.

Dieser Diskussion folgte ein Vortrag über nachhaltige ETFs, der zu einer weiteren, leidenschaftlich geführten Debatte führte. Während die einen in „grünen“ ETFs eine gute Ergänzung im Portfolio sehen, weil sie Rendite, geringe Kosten und eine hohe Transparenz verbinden würden, lehnen andere sie ab, weil deren Ansätze oft nicht wirklich nachhaltig und wirkungsorientiert und die Anbieter oft wenig glaubwürdig seien. Die Diskussion wurde am nächsten Tag weitergeführt.

Tag 2 – Moderne Theorien, alte Gemäuer und gute Aussichten

Der zweite Tagungstag begann mit der „Modern Money Theory“. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Philosoph Maximilian Runge-Segelhorst hinterfragte in seinem Vortrag die Aussage, dass der Staat kein Geld habe und sich für seine Bürgerinnen und Bürger verschulden müsse. Tatsächlich leihe sich der Staat Geld von der Zentralbank, die ihm selbst gehört und Geld im Überfluss schöpfen könne. Nur die arbeitende Bevölkerung erwirtschafte reales Geld über Löhne, investiere es in Lebensmittel und Konsumgüter und könne das umso besser, je höher die Löhne seien. Seit der Finanzkrise 2009 seien die Löhne aber kaum gestiegen, dafür die Vermögen und Vermögenspreise, was zu sozioökonomischen Problemen und Unzufriedenheit führe. Der Staat müsse sich entscheiden, ob er die Probleme lösen wolle. Dass dafür kein Geld da sei, sei eine Ausrede. Er empfiehlt allen, die das Thema interessiert, den Film „Finding the Money“ zu sehen.

Sehr interessant mit einem Blick in die Geschichte war die anschließende Führung durchs Kloster, in dem Martin Luther seinerzeit mit dem Katholizismus zu hadern begann. Kurzvorträge von Fördermitgliedern zur Wirkung von Mikrofinanz, zum Impact mit einem Fonds für Klimaschutz und zu einer neu entwickelten digitalen Lernplattform zum Thema Nachhaltigkeit rundeten den Vormittag ab und führten hin zur abschließenden Runde am Nachmittag:

Wie können nachhaltige Geldanlagen Wirkung erzielen? Fazit: Es ist kompliziert

Darauf gibt es keine einfache Antwort. Aber wie immer ist zu beobachten: bei ö21 finden Diskussionen auf einem sehr hohen Niveau statt. Hierbei sind der Austausch sowie die Akzeptanz zentral, dass es unterschiedliche Perspektiven auf Nachhaltigkeit gibt. Andreas Korth, ö21-Mitglied, fasst das so zusammen. „Es ist wichtig, über alles zu reden, um die Welt zu einer besseren zu machen (…) und ebenso wichtig, dass es unterschiedliche Wege dahin geben kann.“ Dieser Meinung schließt sich Prof. Wilkens an: „Alleine, dass über Schattierungen von Grün diskutiert wird, hat einen Einfluss auf den öffentlichen Diskurs“, und ist er überzeugt davon, dass jede grüne Investition etwas bewegt.

Die Mitglieder von ökofinanz-21 fühlen sich in der Verantwortung, ihre Kund:innen gewissenhaft zu begleiten: sowohl hinsichtlich derer Wirkungserwartungen als auch vor dem Hintergrund der dysfunktionalen EU-Regularien. Auch wenn man bei Letzterem Verbesserungen erhoffen kann – darauf warten ist in der Beratung keine Möglichkeit. Die Nachhaltigkeitsthemen im Investment verstehen und den Anlegerinnen und Anlegern transparent nahebringen ist eine herausfordernde Aufgabe. Da die Regulierung nicht dabei hilft, Produkteigenschaften und Anlegerbedürfnisse zusammenzubringen, sind weiterhin die kritische, den Anlegenden Orientierung gebende Sicht und die Expertise qualifizierter Berater:innen wichtig. Unter Anderem der Austausch auf den ö21-Tagungen mit gut informierten Kolleg:innen und Expert:innen trägt zwei Mal im Jahr dazu bei, auch diese wichtigen Fragen zu klären und sich gegenseitig zu unterstützen.

Christine Sommer-Guist und Marcus Brenken

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