„Verantwortung übernehmen – im Beruf und in der Gesellschaft“
Ein Interview mit Gorden Isler, dem neuen stellvertretenden Vorsitzenden von Ökofinanz 21
Im Frühjahr 2025 wurde Gorden Isler in den Vorstand von Ökofinanz 21 e.V. gewählt und übernimmt nun das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden. Der Hamburger Unternehmer und langjährige Aktivist bringt nicht nur fundiertes Fachwissen aus der nachhaltigen Finanzberatung mit, sondern auch vielfältige Erfahrungen aus zivilgesellschaftlichem Engagement – etwa in der Seenotrettung. Im Interview spricht er über seine Motivation, seine Ziele für die Vorstandsarbeit und die Chancen und Herausforderungen für nachhaltige Finanzberatung in einer zunehmend komplexen Welt.
1. Kannst du dich einmal kurz vorstellen?
Gerne! Ich bin Geschäftsführer des Hamburger Maklerunternehmens fairvendo, das sich auf nachhaltige Versicherungs- und Finanzberatung spezialisiert hat. Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit der Frage, wie Geldanlagen und Versicherungen so gestaltet werden können, dass sie nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch ethisch und ökologisch vertretbar sind.
Daneben engagiere ich mich seit Langem zivilgesellschaftlich, unter anderem in der Seenotrettung. Seit Kurzem bin ich außerdem stellvertretender Vorsitzender von Ökofinanz 21 e.V. Ich freue mich sehr, meine Erfahrungen künftig noch stärker in die fachliche und politische Debatte einzubringen.
2. Du bist ist seit Anfang 2023 Mitglied bei Ö21. Aus welchen Gründen bist du dem Netzwerk beigetreten?
Ich habe schon lange nach einem Netzwerk gesucht, das fachlich anspruchsvoll ist und zugleich klare Werte vertritt – insbesondere in Fragen der Nachhaltigkeit, der sozialen Gerechtigkeit und der Verantwortung im Finanzsektor. Bei Ökofinanz 21 habe ich genau das gefunden: engagierte Kolleg*innen, die sich nicht mit Greenwashing zufriedengeben, sondern wirklich etwas verändern wollen – in der Branche und in der Gesellschaft.
Für mich war der Beitritt zu Ö21 deshalb eine logische Konsequenz meiner beruflichen und politischen Haltung. Ich will gemeinsam mit anderen daran arbeiten, dass nachhaltige Finanzberatung zur Regel wird – und nicht die Ausnahme bleibt.
3. Welche Erfahrungen bringst du für die Vorstandsaufgabe mit?
Ich bringe einerseits unternehmerische Erfahrung mit – als Geschäftsführer eines nachhaltigen Maklerunternehmens weiß ich, wie man Strukturen aufbaut, Prozesse organisiert und auch in schwierigen Phasen handlungsfähig bleibt. Andererseits habe ich durch mein Engagement in der Seenotrettung gelernt, wie wichtig klare Werte, gute Kommunikation und strategisches Denken sind – gerade wenn es darum geht, für gesellschaftlichen Wandel zu arbeiten.
Diese Mischung aus Praxisnähe, Haltung und Organisationskompetenz möchte ich in die Vorstandsarbeit bei Ö21 einbringen – im Sinne eines starken Netzwerks, das wirkt.
4. Was macht das Netzwerk von Ö21 für dich aus?
Ö21 ist für mich ein Netzwerk mit Haltung. Hier kommen Menschen zusammen, die ihre fachliche Kompetenz in den Dienst einer größeren Idee stellen: dass Geld nicht neutral ist, sondern Verantwortung trägt – und dass Finanzberatung Teil der sozial-ökologischen Transformation sein muss.
Was ich besonders schätze, ist der offene und kollegiale Austausch. Es geht nicht um Konkurrenz, sondern um gemeinsame Weiterentwicklung – fachlich, politisch und menschlich. Dieses solidarische Miteinander ist für mich ebenso wertvoll wie die Expertise, die im Netzwerk steckt.
5. Was ist dir besonders wichtig bei deiner neuen Aufgabe als Vorstand?
Mir ist wichtig, dass wir als Vorstand nicht nur verwalten, sondern gestalten – und zwar im Sinne unserer Mitglieder. Ich möchte dazu beitragen, dass Ö21 als Netzwerk noch sichtbarer wird, dass wir unsere politischen Positionen mutig vertreten und dass wir Menschen inspirieren, die Finanzberatung als Teil einer nachhaltigen Gesellschaft zu begreifen.
Besonders am Herzen liegt mir auch, Brücken zu bauen: zwischen Berater:innen, Vermittler:innen, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Denn nur wenn wir uns vernetzen, können wir wirklich etwas bewegen.
6. Welche Chancen siehst du für die nächsten Jahre für Ö21?
Ich sehe Chancen für Ö21, weil die Nachfrage nach glaubwürdiger, nachhaltiger Finanzberatung weiter wachsen wird – gerade in Zeiten von Klimakrise, sozialer Spaltung und wachsendem Misstrauen gegenüber Finanzinstituten. Als Netzwerk mit klarer Haltung und tiefem Fachwissen können wir hier Orientierung bieten – und politisch Druck machen für bessere Rahmenbedingungen.
Zugleich liegt in der Vielfalt unserer Mitglieder eine enorme Stärke: Wenn wir es schaffen, diese Vielfalt noch besser zu nutzen, gemeinsam Inhalte zu entwickeln und sichtbarer aufzutreten, kann Ö21 in den nächsten Jahren zu einer echten Stimme für nachhaltige Finanzberatung in Deutschland werden.
7. Und welche Herausforderungen siehst du?
Die nachhaltige Finanzberatung steht in den kommenden Jahren vor erheblichen Herausforderungen, die eng mit den aktuellen globalen Entwicklungen verknüpft sind. Die zunehmenden geopolitischen Spannungen und Handelskonflikte, wie die jüngsten Zollmaßnahmen zwischen den USA, China und der EU, führen zu wirtschaftlicher Unsicherheit und Marktvolatilität. Diese Unsicherheiten erschweren es Anleger:innen, langfristige nachhaltige Investitionsentscheidungen zu treffen.
Ein weiteres bedeutendes Problem ist das sogenannte Greenwashing. Viele Finanzprodukte werden als nachhaltig beworben, ohne tatsächlich den entsprechenden Kriterien zu genügen. Dies untergräbt das Vertrauen der Anleger:innen und stellt Berater:innen vor die Herausforderung, echte nachhaltige Investitionsmöglichkeiten von scheinbar grünen Angeboten zu unterscheiden.
Zudem verschärfen sich weltweit soziale Ungleichheiten und Migrationsbewegungen. Prognosen zufolge könnten in den nächsten 15 Jahren bis zu 800 Millionen Menschen aufgrund fehlender Perspektiven ihre Heimatländer verlassen. Diese Entwicklungen erhöhen den Druck auf Finanzberater:innen, Investitionen zu identifizieren, die nicht nur ökologisch, sondern auch sozial nachhaltig sind und zur Stabilisierung von Gesellschaften beitragen.
Angesichts dieser komplexen Lage ist es für Ö21 essenziell, klare ethische Standards zu setzen, Transparenz zu fördern und sich aktiv in politische Diskurse einzubringen, um die Rahmenbedingungen für nachhaltige Finanzberatung zu verbessern.
8. Zu guter Letzt: Was motiviert dich ganz persönlich jeden Tag auf’s Neue für deine Arbeit?
Mich motiviert die Überzeugung, dass nachhaltige Finanzberatung ein echter Hebel für gesellschaftliche Veränderung ist. Wenn wir es schaffen, Kapital in die richtigen Bahnen zu lenken – weg von fossilen Industrien, hin zu sozial und ökologisch sinnvollen Projekten –, dann leisten wir einen konkreten Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.
Und natürlich spielt auch meine persönliche Situation eine Rolle: Als Vater einer neunjährigen Tochter denke ich oft darüber nach, welche Welt wir der nächsten Generation hinterlassen. Das ist für mich ein zusätzlicher Ansporn, mich jeden Tag mit Klarheit, Haltung und Ausdauer für meine Arbeit einzusetzen.
Gorden Isler bringt nicht nur fachliche Expertise, sondern auch eine klare Haltung in seine neue Rolle ein. Sein Engagement zeigt, wie nachhaltige Finanzberatung zur treibenden Kraft für gesellschaftlichen Wandel werden kann.
Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch und wünschen ihm viel Erfolg, Inspiration und eine gute Hand für seine neue Aufgabe als stellvertretender Vorstand von Ö21.